Ehe(r) rückschrittlich

40 Milliarden DM jährlich läßt sich der ideelle Gesamtpatriarch, Vater Staat, die Subventionierung einer der patriarchalsten Institutionen kosten: der Hausfrauenehe. Seit mehreren Jahren versuchen mehrheitlich schwule Lobbyvereine wie der LSVD (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland) mit großem propagandistischen Getöse die Öffnung der Institution Ehe für Lesben und Schwule und die Teilhabe an ihren Privilegien als vordringlichstes Problem von Lesben und Schwulen zu verkaufen. Es steht außer Frage, daß heiraten dürfen soll, wer will. Lesben und Schwule selbstverständlich auch, alles andere ist undemokratisch und diskriminierend.

Nur: auch die rot-grüne Regierung plant kein Gesetz, das Lesben und Schwulen das Heiraten ermöglicht. Statt ein deutliches Zeichen gegen reaktionäre Moralvorstellungen zu setzen, wird ab 1. August 2001 das „Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften“ in Kraft treten. Dabei handelt es sich um ein Sondergesetz für Lesben und Schwule, mit einigen, aber nicht allen Rechten und Privilegien der Ehe, aber auch mit ihren Pflichten (Unterhaltsrecht).

Die Nachteile der sogenannten „Homo-Ehe“ überwiegen deutlich. Generell sind Sondergesetze abzulehnen – wer garantiert, daß hier nicht neue „rosa Listen“ geführt werden? Was haben (standes-)amtlich registrierte Lesben und Schwule zu erwarten, wenn eine reaktionärere Regierung als die jetzige an die Macht kommt? Reicht es nicht, wenn öffentlich auftretende Lesben oder Schwule immer wieder von wildgewordenen Bürgern oder Nazischlägern angegriffen werden, müssen sie auch noch staatlich registriert werden? Dem stehen Verbesserungen im Miet- und im Erbrecht gegenüber. Unterhaltspflichten sind genaugenommen nichts Neues – da sind die Sozialämter ja beispielsweise auch gegenüber unverheiratet zusammenlebenden Heteros nicht zimperlich. Ein Aufenthaltsrecht für Menschen ohne deutschen Paß aus Nicht-EU-Ländern scheint auf den ersten Blick eine Verbesserung zu sein. Allerdings schafft das an das Bestehenbleiben der Beziehung gebundene Aufenthaltsrecht eine extreme Abhängigkeit vom „deutschen“ Teil der eingetragenen Partnerschaft – ein Abschiebestopp für Lesben und Schwule hätte die aufenthaltsrechtlichen Probleme binationaler Partnerschaften zwar auch gelöst, aber undenkbar für die dem rassistischen Teil der Gesellschaft verpflichtete rot-grüne Regierung!

Um das Gesetz dennoch als Erfolg verkaufen zu können, wurden Gruppen mit ehekritischen Positionen, wie beispielsweise der Lesbenring (die bundesweit größte Interessenvertretung für Lesben, ein Zusammenschluß feministischer Lesben), massiv ausgegegrenzt. So log etwa Manfred Bruns vom LSVD, der Lesbenring sei früher einmal gegen die Homo-Ehe gewesen, heute dagegen äußere er sich gar nicht mehr zu dem Thema. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin stellte ohnehin von Anfang an klar, daß es eine Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule nicht geben werde. Die juristische Expertin des Lesbenring lud sie erst nach massivem Druck von feministischer Seite überhaupt zu den entsprechenden Fachgesprächen ein, und zwar so knapp terminiert, daß diese ohnehin nicht mehr teilnehmen konnte. Christina Schenk, offen lesbisch lebende Bundestagsabgeordnete der PDS-Fraktion stimmte gegen die eingetragene Lebenspartnerschaft, und wurde dafür vom Sprecher des LSVD, Michael Schmidt attackiert, sie verrate die Interessen der Lesben und Schwulen, dabei hatte sie sich nur geweigert, einem Gesetz zuzustimmen, das keine Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren bringt. „Natürlich gibt es auch Lesben und Schwule, die wie ich aus Gründen der rechtlichen Gleichheit mit Heterosexuellen der Öffnung der Ehe zustimmen würden, und genau deshalb ein Sondergesetz nur für Homosexuelle ablehnen […] Die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist kein Sieg, sondern eine nachgerade peinliche Selbstgenügsamkeit, die letztlich das Anliegen der Mehrheit der Lesben und Schwulen beschädigt.“ (Christina Schenk, offener Brief, dokumentiert in Lesbenring-Info Nr. 2, Februar 2001)

Worum müßte es aber tatsächlich gehen?

Soziologisch gesehen ist die Ehe, vor allem die lebenslängliche, ein Auslaufmodell. Die Mehrheit der Menschen, ob hetero- oder homo- (oder sonstwie) -sexuell lebt nicht mehr dauerhaft dem „Arche-Noah-Prinzip“ (der Mythos, daß die Menschheit sich richtigerweise paarweise geordnet im Leben zu befinden habe) entsprechend. Die Lebensformen von Lesben und Schwulen (und vielen anderen) sind heute wesentlich vielfältiger und passen nicht in das Korsett der Ehe mitsamt ihren altmodisch-antiquierten Vorstellung von Pflichten und ihren ungerechtfertigten Privilegien. Die tatsächliche Vielfalt von gelebten „Wahlverwandtschaften“, in denen Menschen füreinander sorgen, brauchen entsprechende rechtliche Absicherungen. Eine Reform des Familienrechts muß diese vielfältigen Formen und die daraus entstehenden Regelungsbedürfnisse in den Blick nehmen. Selbstverständlich ist es wichtig, wer meine „Angehörigen“ sind, auch wenn ich mit den meisten weder blutsverwandt noch verheiratet bin, auch wenn ich in keiner Paarbeziehung lebe. Es ist wichtig, wie meine Kinder und meine Liebsten ihre Beziehungen gestalten, es ist wichtig, wer ein Zeugnisverweigerungsrecht hat und wer Auskunft erhält, wenn mir etwas zustößt, wer Entscheidungen über medizinische Maßnahmen trifft, wenn ich es selber nicht kann, wer mich pflegt, wer Schallplatten und Bilderbücher erbt und wer sich um meine Beerdigung kümmert. Und ganz sicher sind das mehrere Menschen, nicht nur einer, so wie auch zur „Verwandtschaft“ meiner Kinder mindestens zwei Familien und zwei Wohngemeinschaften gehören.

Es geht um gesetzliche Regelungen, die eine flexible Ausgestaltung von Beziehungen ermöglichen. Es geht andererseits um eine konsequente Abschaffung von Eheprivilegien – statt für Hausfrauenehen würden 40 Milliarden DM wohl sinnvoller ausschließlich für die Pflege von Kindern und anderen Menschen angelegt?! Es geht natürlich auch um Bleiberecht und eine eigenständige Existenzsicherung für ausnahmslos alle Menschen, damit die Beziehungen frei sein können.

Wer mehr wissen, weiterlesen… will: „Unser Stück vom Kuchen – Zehn Positionen gegen die Homo-Ehe“ ist eine flüssig zu lesende, sehr informative und politisch pointierte Streitschrift – erschienen im Quer-Verlag, und die Investition von DM 24,80 lohnt sowohl hinsichtlich des Lust- als auch des Erkenntnisgewinns! Angenehm ist das leichte (zahlenmäßige) Übergewicht der Beiträge von lesbischen Autorinnen, unter anderem weil das die anmaßende Behauptung des männerdominierten LSVD Lügen straft, für die Interessen der Lesben zu sprechen. Tut er nämlich nicht!