Mossageng & Moforräh – Altersvorsorge auf Schwäbisch

Hegnabronn AussichtSchwäbische Kinder, so heißt es (man hört immer wieder davon), kämen bereits mit einem Bausparvertrag auf die Welt. Wie es sich damit wirklich verhält, wäre vielleicht einmal ein lohnendes Forschungsvorhaben für angehende Empirische Kulturwissenschaftler (oder fällt das eher ins Revier von Volkswirtinnen?). Mir jedenfalls (soviel zur Empirie) ist solches nicht widerfahren. Vielleicht hat das Viertel sächsisches Blut in meinen Adern alles verdorben und ich bin keine ganz echte Schwäbin, vielleicht liegt es aber auch einfach daran, daß ich generell vom Schicksal ein klein wenig benachteiligt bin (was sich beispielsweise darin zeigt, daß ich häßliche Sandalen tragen muß, oder daß ich nicht musikalisch genug war, um Cello lernen zu dürfen).

Frau Mann und Frau Mann im GartenDie gesetzliche Sozialversicherung, und da ganz besonders die Rentenversicherung, sei in der Krise, wird allenthalben lamentiert, prognostiziert, kritisiert… Daß die Krise in diesem Fall erstens systematisch herbeigeredet und zweitens durch eine entsprechende Wirtschafts- und Sozialpolitik kräftig befördert wird, steht für mich außer Frage. Aber davon einmal abgesehen, habe ich an Rente noch nie so richtig geglaubt, und auch nicht an Banken und Sparkassen, die erzählen, mir drohe im Alter eine Versorgungslücke und ich solle mein Geld in irgendwelche staatlich geförderten Riester-Verträge stecken – damit ich heute nicht soviel flüssiges Geld habe und die Versorgungslücke gleich schon mal vorsorglich erleben kann? Die investieren dann in irgendwelche Aktienfonds, damit noch mehr Autos, Waffen und Mobiltelefone produziert werden können. Was ich einen Riesenblödsinn finde, erstens, zweitens paßt mir diese Entwicklung nicht und drittens habe ich eine blühende Phantasie. Deswegen bin ich jetzt laufend dabei, neue Altersvorsorgemodelle zu erfinden. Für irgendeine Versicherungsgesellschaft wäre ich eine Goldgrube, wenn die mich mal einstellen täten und mich diese Konzepte in der Arbeitszeit entwickeln ließen, da gäbe es jede Menge sinnvolles zu investieren, nachhaltig und am besten so, daß es den heutigen alten Menschen schon einmal zugute kommt, bis wir selber dann ins entsprechende Alter kommen. Neulich habe ich zum Beispiel einen Immobilienfonds erfunden, der heute alters- und behindertengerechte Wohnungen finanziert (und die, die diese Wohnungen heute brauchen, dürfen da ruhig schon mal einziehen), die abbezahlt sind, bis man selber einziehen will, dann kostets im Alter keine Miete mehr. Und ich bin sicher nicht die einzige, die ihr Geld lieber in sozial und ökologisch sinnvolle Vorhaben investieren wollen, statt es der Allianz, DaimlerChrysler, der Deutschen Bank, der EnBW und wie sie alle heißen, in den Rachen zu schmeißen.

Frau Mann im GartenIch bin mir nicht sicher, ob es irgendwann einmal einfach keine Rente mehr geben wird. Oder ob das Geld, aus dem diese Rente besteht, einfach nichts mehr wert sein wird. Im Ergebnis kommt es auf dasselbe heraus. Jedenfalls fürchte ich, daß wir (meine Generation, meine ich) das noch erleben werden, daß man wieder froh sein wird, daheim noch einen Holz-Kohle-Ofen zu haben, dessen Brennstoff man selber sammeln kann – oder auch ein Stück Gärtle oder Acker, auf dem sich Kartoffeln, Tomaten und andere nahrhaften und vitaminhaltigen Gewächse ziehen lassen. Manche haben solche Zeiten noch erlebt: „…der Charme eines eigenen Stückles Land besteht für mich in dem, was meine Mutter immer gesagt hat: Sie hat (Jahrgang '23) immer die Bauern in dem Dorf bei Riedlingen furchtbarst beneidet, in dem wir Verwandtschaft hatten und wo sie oft war (man muss dazu sagen, dass ihr Vater ein winzigwinzigkleiner Beamter war, sie in Stuttgart-Ostheim aufgewachsen ist und ihre sämtlichen Vorfahren kleine Handwerker waren – der Onkel, den sie in Daugendorf besucht hat, war Schreiner): Egal was passierte und egal, wie arm diese Bauern waren, sie hatten wenigstens etwas Land, auf dem sie zur Not Kartoffeln und Gemüse zum Überleben anbauen konnten. Meine Mutter und deren Eltern hatten nicht einmal das und hatten reichlich oft Hunger, jedenfalls öfter als die Daugendorfer Bauern. Und meine Oma in Crailsheim (anderer Familienzweig, bei dem Geld und Gut, soweit möglich, eher noch rarer waren als bei Muttern im Stuttgarter Osten) hat ihre wunderbaren Himbeersäfte und Stachelbeermarmeladen auch nicht aus dem Ärmel geschüttelt. […] man kann nie wissen. Alles andere kann sich in Luft auflösen. Land nicht.“ (aus einem Brief meiner Freundin Andrea Hähnle)

Nun dauert das, bis unsereine von den Versicherungsgesellschaften entdeckt wird (wenn die überhaupt ein Interesse daran haben, daß auch solche Konzepte entwickelt werden), solang kann ich nicht warten!

FlurkarteMeinem schweren Los zum Trotz (wie heißt das schöne Sprichwort? Auch ein blindes Huhn legt mal ein Ei?!) kreuzte neulich eine schöne Gelegenheit, das erste Stückchen Altersvorsorge zu kriegen, meinen Lebensweg: es heißt Flurstück Nr. 4143, Gewann Hegnabronn, Gemeinde Unterjesingen, ist ca. 32 Ar groß, davon ungefähr ein Drittel Wald und zwei Drittel Obstwiese. Mit dem früheren Lusageng-Garten meiner Eltern im Ammertal kann man es eigentlich nicht vergleichen, weil das viel kleiner (aber dafür mehr quadratisch – das jetzt ist ganz schmal und lang) und eben war, während das neue Gütle viel weiter oben (der Enzbach in der Nähe ist ein linker Nebenfluß der Ammer), schön geschützt am Südwesthang liegt. In der Gegend wachsen auch Pfirsiche, Brombeeren, Walnüsse, Kürbisse, Wein, Tomaten…, und man hat einen Blick bis Rottenburg-Kreuzerfeld. In der Nachbarschaft wohnen Hennen, Esel, Wollschweine und irgendwelche zotteligen Ur-Rinder (vielleicht Galloways?), auf dem Grundstück selber gibt es Grashopfer in rauhen Mengen, Eidechsen, Eichelhäher, wunderschöne Hornissen und leider auch Grasmilben (ich glaube, kein Tier macht übler juckende Stiche, und sie gehen unter die Kleider, an die unmöglichsten Stellen!) und jedes Mal, wenn ich hinkomme, entdecke ich wieder etwas Neues, Schönes. Hinkommen tut man mit dem Fahrrad in einer halben Stunde (7,36 km von der Kelternstraße aus, aber meistens bei Gegenwind und leicht bergauf) oder mit der Ammertalbahn und zu Fuß noch schneller. Meine Brombeerreviere sind auch in Spaziergangsnähe im Schönbuch.

Nochmal Frau Mann und Frau Mann im GartenJetzt bin ich gerade dabei, dieses Gütle zu eigen zu erwerben. Und um mich herum, bei meinen Bekanntinnen und Bekannten (mich eingeschlossen) schießen die Fantasien in die Höhe: der eine fabuliert von Schnapsbrennerei und Gartenfesten mit einem Fäßle Bier, der andere von einem Schäferkarren, oder einem Jagdschein und Wildschweinen, die man erlegen könnte. Ob es nicht gescheiter gewesen wäre, zur Altersvorsorge in eine schwäbische Villa einzuheiraten statt schwäbische Gütlesbesitzerin zu werden? fragt ein Dritter, Bienen zu halten schlägt mir ein weiterer Freund vor. Der Liegestuhl kann nächsten Sommer endlich wieder in Gebrauch genommen werden (allerdings muß er erst neu bezogen werden), und wenn ich irgendwo eine Schildkröte auftreibe, um die Luftmatratzen aufzupumpen… Ein Bänkle kann man in die Sonne stellen und vielleicht sogar ein Baumhaus bauen. Ach ja, und vielleicht sollte ich mir so ein kleines Traktorle hertun (so eins mit zwei Griffen zum Lenken vorne und einem Anhänger hinten dran), bloß wo park ich das dann im teuren Tübingen? Am Ende werde ich noch einen Platz im Parkhaus König mieten müssen… Und da das Sein bekanntlich das Bewußtsein bestimmt, sinne ich gerade angestrengt darüber nach, ob ich jetzt nicht eigentlich dem Haus- und Grundbesitzerverein beitreten muß? Immerhin ist schon mal klar, daß ich Beiträge an die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft werde zahlen müssen, das ist ab einer bestimmten Größe Pflicht. Rhabarber, Meerrettich und Himbeeren will ich – möglichst heuer noch – pflanzen, und vielleicht gibt’s irgendwann auch einen Gaishirtlesbaum? (die vorhandenen beiden Birnbäume tragen reichlich seltsame und wenig schmackhafte Birnen). Ob auch wasserbedürftigere Gewächse gedeihen, wird sich weisen – der Enzbach ist ein gutes Stück weit weg und führt auch nicht immer Wasser, eine Hütte darf man dort im Landschaftsschutzgebiet nicht bauen (also eher nix mit Regenwassertonne) und ich bin nicht sicher, ob ich da am Hang einen geeigneten Platz finde, um einen Brunnen zu graben. Aber jetzt muß erstmal der Fahrradanhänger instand gesetzt, Holz für den Winter gesammelt, das Gras gemäht und das viele Fallobst verschafft werden, die noch nicht gefallenen Äpfel gepflückt und in den tiefen Keller gebracht, die Walnüsse eingesammelt und getrocknet werden. Welch ein Glück, daß ich meinen Jahresurlaub jetzt erst nehme!